Du bewältigst das Problem der Figur als der Mensch, der du bist. Du maskierst dich nicht, du demaskierst die Figur (aus „Kalten Herzens und mit Verstand“).

Meine unterschiedliche Tätigkeit als (Set-) Coach sowie als Regisseur und Lehrer am Theater führt zu einer ständigen Überprüfung und Verfeinerung der Arbeitsweisen mit dem Schauspieler.

Was am Set - im Gegensatz zum Theater - am allermeisten fehlt, ist Zeit. Daraus entsteht ein Druck, von dem sich der Schauspieler frei machen muss, um sein Bestes geben zu können. Am Theater kann er in Ruhe seine Figur entwickeln, am Set wird sie vorausgesetzt.

Der Schauspieler trifft auf Regisseure, die ihr Augenmerk vornehmlich auf den technischen Apparat richten müssen. Sie sind ihm selten eine Hilfe und ihre Regieanweisungen beschreiben häufig eher gewünschte Ergebnisse wie z.B.:

Am Ende der Szene bricht die Frau vollkommen zusammen und steht vor den Trümmern ihres Lebens.“ oder „Bei dem Satz muss ich mehr sehen, dass der Mann verliebt ist und dann schau bitte mehr links an der Frau vorbei, dass ich beide Augen in der Kamera habe.

Wenn er nicht weiß, wie er solche Anweisungen umsetzen kann, läuft sein Spiel Gefahr, auf der Ebene der Behauptung zu verharren. Er strengt sich an und verliert seine spielerische Leichtigkeit. Nicht selten zweifelt er dann an sich selbst - vollkommen zu Unrecht. Dieser Selbstzweifel führt oft dazu, dass der Schauspieler das aufgibt, was er als störend empfindet und wofür er sich vielleicht sogar schämt, was aber doch sein Spiel zu etwas ganz Einmaligem macht: seine Persönlichkeit nämlich.

Sein Gefühl des Ungenügens - jeder Mensch hat einen untrüglichen Instinkt für die Wahrheit - sucht er während des Spiels zu verdrängen. Das führt ihn physisch in die Verkrampfung und schauspielerisch ins Klischee.

Ernst Schröder, einer der großen Film- wie Theaterschauspieler und Lehrer, beschrieb die Aufgabe des Schauspielers als keine ausschließlich künstlerische, sondern auch als eine im Allgemeinen und Tiefsten menschliche: sich selbst anzunehmen.

Gutes Coaching begleitet den Schauspieler auf diesem Weg. An seinem Ende steht der mühelose Zugriff des Schauspielers auf seine Persönlichkeit, mit der er physisch, intellektuell und emotional die Figur verkörpert. Insofern gibt es nicht die Methode, sondern eine auf die Persönlichkeit eines jeden Schauspielers abgestimmte Vorgehensweise.